|  
               1. 
                Tagung des 9. Landesparteitages der PDS Sachsen-Anhalt  
                am 18. und 19. Juni 2005 in Wittenberg 
               
              Rede
                  von Helga Paschke 
              zur
                  Einbringung des Antrages               “Für
                  eine tiefgreifende Funktional-, Verwaltungs- und kommunale
              Strukturreform“ 
              Liebe Genossinnen
              und Genossen, verehrte Gäste, 
              der vor euch liegende
                  Antrag „ Reformen müssen Sachsen-Anhalt
                nutzen“ gebildeten Arbeitsgruppe bestehend aus Mitgliedern
                des Landesvorstandes, der Landtagsfraktion und kommunalen Mandatsträgerinnen
                eingebracht. Zu den Antragsunterzeichnerinnen gehören Jürgen
                Dannenberg, Uwe Loos, Uwe Müller, Iris Töpsch, Katrin
                Kunert, Adda Ahrens, Hans Werner Brüning, Regina Frömert,
                Gerald Grünert, Wulf Gallert, Gudrun Tiedge, Uwe Köck,
                Juliane Heuser und Helga Paschke. Die Arbeitsgruppe stand vor
                der Aufgabe, das bereits mehrmals weiterentwickelte Konzept der
                Funktional- Verwaltungs- und kommunalen Strukturreform erneut
                zu überarbeiten, um europäischen, nationalen und sachsen-anhaltischen
                Entwicklungen Rechnung zu tragen. Es ging und geht jedoch auch
                darum, sich zeitgleich einen Standpunkt zu den derzeit durch
                die Politik der Koalition bereits beschlossenen oder sich abzeichnenden
                Entwicklungstendenzen zu finden. Diese beiden Ansprüche
                zwischen Vision auf der einen und Umgang mit der Wirklichkeit
                auf der anderen Seite machten die Arbeit am Antrag nicht leicht
                und dieses Spannungsverhältnis wird wohl in fast allen Politikfeldern
                die PDS für immer unsere Arbeit begleiten . Noch schwerer
                stellt sich das aber in der praktischen Politik vor Ort für
                uns dar, für die kommunalen MandatsträgerInnen, für
                den Landesvorstand und die Landtagsfraktion ist diese Herausforderung
                gegenwärtig eine konfliktbeladene politische Schwerarbeit.
                Unser Parteitag findet in einer Zeit voller Unruhe in den Kreisgliederungen
                statt. Wer gerade um seinen Kreissitz oder um den Erhalt seines
                Kreises oder gegen das Zerschneiden seiner ganzen Region kämpft,
                dem fällt es sicher etwas schwerer, sich nicht den Blick
                für das Gesamtkonzept zu verschließen, aber wir werben
                mit diesem Antrag ausdrücklich für diesen Weitblick.
                .  
              Was Teil eins der
                  politischen Herausforderung betrifft, für
                die PDS ein eigenständiges Konzept vorzulegen, so konnte
                die Arbeitsgruppe auf die in der letzten Legislaturperiode entwickelten
                Grundaussagen und Beschlüsse aufbauen. So ist im Landesverband
                unstrittig, dass die PDS einen Verwaltungsaufbau im Lande realisieren
                will der zweistufig ist, unstrittig ist ebenso , dass eine Vielzahl
                von  
                Aufgaben zu kommunalisieren sind. Diese werden im Antragsheft
                auf den Seite 43 in weiterentwickelter Form dargestellt. Die
                PDS befindet sich mit diesen Positionen im Einklang mit der Verwaltungs-wissenschaft,
                mit den kommunalen Spitzenverbänden auf Bundesebene. Demgegenüber
                krallen sich Landesregierung und Koalitionsfraktionen an einem
                dreistufigen Auslaufmodell krampfhaft fest, das wiederum hat
                fatale Folgen für die jetzt aktuell laufende Vorbereitung
                einer Kreisgebietsreform. Ich werde darauf noch zu sprechen kommen. 
              Liebe Genossinnen und Genossen, 
              ein Markenzeichen
                  unseres Reformkonzeptes im Unterschied zu allen anderen Parteien
                  ist die Ausrichtung auf einen damit verbundenen
                tiefgreifenden Demokratisierungsprozess, eine Ausrichtung hin
                zur Stärkung der Zivilgesellschaft, hin zu den gesellschaftlichen
                Kräften zwischen Staat und Markt, hin zur Bürgerkommune.
                Wie es Linke so an sich haben, so hat eben auch die PDS lange
                gezögert, sich bundesweit dieser Herausforderung zu stellen.
                Das lag vor allem daran, dass man meinte, der Begriff sei neoliberal
                besetzt, also Finger weg von diesem Teufelszeug. Und in der Tat,
                es gibt auch eine neoliberale Besetzung dieses Begriffes. Aber
                das ist es doch gerade, was uns motivieren sollte, einen damit
                verbundenen absehbaren Entwicklungsprozess mit linken Inhalten
                zu besetzen aber vor allem auch umzusetzen. Wo liegen die beiden
                entscheidenden Unterschiede der Ansätze? Neoliberale Politik
                will Bürgerinnen und Bürger fast ausschließlich
                als Lückenbüßer für zunehmende staatliche
                Defizite mobilisieren. Die PDS will, dass Bürgerinnen und
                Bürger mit- und immer stärker selbst entscheiden, was
                in ihrer Kommune passiert. Bürgerschaftliches Engagement
                soll das Gemeinwesen in seiner Vielfalt und Differenziertheit
                bereichern. Die strategische Ausrichtung auf die Zivilgesellschaft
                ist unabdingbar, mit der Bürgerkommune jetzt zu beginnen,
                ist die konkrete schrittweise Umsetzung dieser Vision.  
              Und das genau ist
                  die Brücke zu einem weiteren Markenzeichen
                unseres Konzeptes. Sich auf Bürgerkommunen zu konzentrieren
                heißt nicht schlechthin, eine Sprechstunde mehr abzuhalten.
                Die Ausrichtung auf Bürgerkommunen erfordert eine neue Kultur
                in der Kommunalpolitik, erfordert zu aller erst eine kommunale
                Politikreform, wer die Welt verändern will, beginnt bei
                sich .Wir müssen darum kämpfen, das in die Schieflage
                geratene Dreieck zwischen kommunalen Mandatsträgern Bürgerschaft
                und Verwaltung wieder deutlich Richtung Bürgerschaft und
                kommunales Ehrenamt nachjustiert wird. Das Stöhnen über
                die Allmacht der Verwaltung kann im Augenblick Erleichterung
                schaffen, an der Sache ändert es aber nichts.  
                Wir haben gestern über Risiken aber vor allem Chancen von
                Veränderungsprozessen gesprochen. Wann, wenn nicht bei strukturellen
                kommunalen Umbrüchen haben wir die Chance zum Neueinstieg
                und wann ist er notwendiger? Kommunale Politikreform jetzt, Ausrichtung
                auf Bürgerkommune jetzt. Das wird ein hartes Stück
                Arbeit, das erfordert weitere strategische, konzeptionelle Arbeit
                das bedeutet aber auch Beschlussfassungen und Umdenken vor Ort.  
              Liebe Genossinnen und Genossen, 
              weiterentwickelt haben
                  sich die Positionen der PDS zum Kreiszuschnitt. Waren es Ende
                  der 90er Jahre einige wenige, die mit Blick auf
                Wirtschaftsregionen und mit dem Blick auf die Aufnahmefähigkeit
                von vormals staatlichen Aufgaben in die Kreisstrukturen Regionalkreise
                favorisierten, so ist nunmehr in der PDS die Überzeugung
                gewachsen, dass Regionalkreise das kreisliche Zukunftsmodell
                darstellt. Ich hoffe sehr, dass diese Überzeugung mehrheitsfähig
                ist und heute so beschlossen wird. Diese Überzeugung teilen
                in der Zwischenzeit kommunale Akteure in mehreren Regionen, im
                Harz und in Anhalt. Einige von uns haben die Anhörung am
                letzten Donnerstag in Dessau erlebt. 
                Liebe Genossinnen und Genossen, die eigentliche Sensation war
                nicht die Einigung der Landräte auf neue in anderer Aufstellung
                kleine Kreisstrukturen. Die eigentliche Sensation war, dass Landräte,
                Oberbürgermeister, Bürgermeister von Gemeinden und
                mit aller Deutlichkeit Oberkirchenrat Franke übereinstimmend
                (mit Ausnahme des OB Otto aus Dessau ) laut gesagt haben, dass
                die jetzige Strukturreform keine 10 Jahre hält und eigentlich
                gleich ein Regionalkreis gebildet werden müsste, einziger
                Hinderungsgrund sei die Gesetzeslage. Eine solch weitreichende
                Erkenntnis aus Regionen selbst sollte uns bestärken, nicht
                nur das Regionalkreismodell zu beschließen, sondern auch
                die im Antrag geforderte Umsetzung innerhalb dieser jetzt laufenden
                Reform anzustreben. Ich verrate kein Geheimnis, dass gerade diese
                Frage in unserer Arbeitsgruppe der Punkt war, der am längsten
                diskutiert wurde. Wir kamen dann doch zu der Entscheidung: wenn
                wir in der nächsten Legislatur durch den Wähler in
                Verantwortung genommen werden, dann sollte die Reform in einem
                Zug lediglich mit einer Streckung bis 2009 zum Ende gebracht
                werden. Sachsen-Anhalt kann sich keine drei Kreisgebietsreformen
                in 15 Jahren leisten. Schlussfolgernd muss es doch heißen,
                jetzt die Last wegzutragen, auch wenn die Unruhe noch einige
                Zeit andauert. Es ist doch unverantwortlich, die Kommunen ständig
                aufs Neue dieser Zerreisprobe auszusetzen. Nicht nur weil Sachsen-Anhalt
                arm ist, sondern vor allem, weil es neue Chancen regional ausgerichteter
                Politik gibt und weil sowohl die Kommunen als auch die Landesbehörden
                sich verstärkt wieder ihrer eigentlichen inhaltlichen Arbeit
                widmen sollten. 
              Natürlich, liebe Genossinnen und Genossen, das haben die
                bisherigen Diskussionen verdeutlicht, werden nicht alle diese
                Position teilen können und auch jene, die sie teilen, haben
                berechtigte Bedenken. Eine der am häufigsten vorgetragenen
                sind die der Herausforderungen an das Ehrenamt im Allgemein und
                an das kommunale im Besonderen unter Regionalkreisbedingungen.
                Im Antrag wird deutlich, dass wir auf diesem Gebiet noch viel
                zu leisten haben. Das übrigens mit und ohne Gebietsreform,
                nur in Kreisen mit Regionalzuschnittpotenzieren sich die Defizite
                gegenwärtiger Arbeit. Ein weiter so kann es auf keinen Fall
                geben. Für eine kommunale Politikreform ist längst
                die Zeit gekommen, machen wir uns auf den Weg, geben wir nicht
                der Versuchung nach, neue Strukturen mit altem Inhalt und alten
                Arbeitsweisen meistern zu wollen. Dazu gehört, dass einige
                Bedingungen auf der Landesebene dafür garantiert werden,
                dazu gehört aber in aller erster Linie das eigene Tun in
                Frage kritisch zu hinterfragen.  
              Liebe Genossinnen und Genossen, 
              erstmals deutlich
                  wurde eine Fusion der Länder Sachsen,
                Sachsen-Anhalt und Thüringen zur Beschlussfassung vorgelegt.
                Im Rahmen eines solchen Antrages ist das Problem des Föderalismus
                sicher nicht auszudiskutieren. Die Arbeitsgruppe „Mitteldeutschland“ der
                PDS war sich nach längerer Arbeit darüber im Klaren,
                dass zukünftig der Zug in diese Richtung fährt, nur
                ganz laut haben wir es noch nicht gesagt. Wir haben es heute
                erstmals zur Beschlussfassung in einem der Länder vorgelegt,
                lasst uns nicht wenn der Zug abgefahren ist lediglich aufspringen,
                lasst uns die Weichen stellen. Deshalb bitten wir auch wenn noch
                nicht alles ausdiskutiert ist um Zustimmung.  
              Liebe Genossinnen und Genossen, 
              weiterentwickelt sind
                  auch die Positionen zur Gestaltung der gemeindlichen Struktur,
                  Friedrich Raabe sprach das bereits an.
                An diesen Strukturen wurde viel rum gedoktert, ohne das der Patient
                Besserung verspürte. Die Arbeitsgruppe ging von dem Grundsatz
                im Antrag formulierten Grundsatz aus, dass Aufgaben von überörtlicher
                Bedeutung auch überörtlich entschieden und finanziert
                werden müssen. Das kann garantiert werden, wenn diese Aufgaben
                freiwillig in den Gemeinschaftsausschuss abgegeben werden, das
                geht ohne Zwischeninstanz in der Einheitsgemeinde. Liebe Genossinnen
                und Genossen, gestern wurde darüber gesprochen, das wir
                lernen müssen nicht die gestern bekämpften Entwicklungen
                heute vor neuen zu verteidigen. Verwaltungsgemeinschaften gehören
                dazu. Ich betone ausdrücklich, wir haben im Gegensatz zur
                PDS Thüringen, die vor kurzem beschloss, alle Verwaltungsgemeinschaften
                bis 2009 in Einheitsgemeinden zu überführen ihren Bestand
                unter den oben genannten Voraussetzungen nicht in Frage gestellt.
                Einheitsgemeinden sind nicht was von Gott gegebenes ganz schlimmes
                Hier kommt in erster Linie auf die demokratische Ausgestaltung
                innerhalb dieser Struktur an, genauso wie Verwaltungsgemeinschaften
                was ganz schlimmes sein können, wenn die Akteure dort von örtlichen
                Egoismen geleitet werden.  
               
                Liebe Genossinnen und Genossen, 
              während die Arbeitsgruppe
                  am Konzept feilte, musstet ihr vor Ort, musste die Landtagsfraktion
                  und der Landesvorstand im
                laufenden Prozess der Reformvorhaben bereits politisch agieren.  
              die Frage entscheiden,
                  ob sie trotz grundsätzlicher Ablehnung
                des Gesetzes Änderungsanträge stellt und wenn ja, wie
                weit Sie sich in das Gesetz hineinbegibt, läuft man doch
                prinzipiell dabei in die Gefahr, für Dinge mit haftbar gemacht
                zu werden. Mit dem Landesvorstandsbeschluss wurde die Fraktion
                beauftragt , in der jetzt laufenden Kreisgebietsreform darum
                zu kämpfen, dass alles unterbleibt, was eine zukünftige
                Kreisbildung im Regionalzuschnitt später behindert. In den
                laufenden Anhörungen haben die Mitglieder des Innenausschusses
                deshalb den Antrag gestellt, bereits jetzt für die Region
                Halle und für die Region Anhalt.  
              Die PDS-Fraktion beabsichtigt
                  als Schlussfolgerung aus den Anhörungen
                , weitere Anträge zu stellen, das betrifft: 
                Forderungen zum künftigen Finanzausgleich, die Abwendung
                einer Verkürzung der Mandatszeit auf drei Jahre, indem der
                Zusammenschluss der Kreistage erfolgt und Kreistagsmitglieder
                gemeinsam zwei Jahre arbeiten. Wir beabsichtigen, erneut den
                Versuch zu starten, die Obergrenzenregelung aus dem Grundsätzegesetz
                herauszukriegen und eine größere Mandatsdichte durch Änderung
                der Gemeindeordnung zu erreichen. Kurzum wir können uns
                nicht raushalten, auch wenn das wesentlich bequemer wäre.
                Besonders deutlich wird das bei der Frage der Kreissitze.  
                Die PDS hat bereits im Grundsätzegesetz beantragt, dass
                die Kreissitzfrage im Gesetz zur Kreisneugliederung enthalten
                sein muss, nunmehr wird es für jeden Kreis ein gesondertes
                Kreissitzgesetz geben und liegt jeweils im Referentenentwurf
                vor. Die PDS-Fraktion befindet sich noch in der Diskussion über
                ihr Abstimmungsverhalten. Einig sind wir uns aber darüber,
                dass wir kein überfaktionelles Geschachere mitmachen, wie
                das gegenwärtig in anderen Fraktionen ausgebrochen ist.
                Eines muss uns allen aber klar sein, Welchen Änderungsantrag
                wir auch immer stellen und wie wir uns auch immer in dieser Frage
                verhalten. Es wird keine Entscheidung geben, die vom gesamten
                Landesverband geteilt wird. Wichtig ist nur, dass trotz dieser
                Differenz akzeptiert wird, dass Akteure vor Ort objektiv eine
                andere Sicht haben als es Landesvorstand und Landtagsfraktion
                auch objektiv haben müssen. Im Antrag wird gefordert, dass
                die gemeinsame Arbeitsgruppe ihre Arbeit fortsetzt, dies betrachten
                wir für wichtiger denn je. Es muss uns auch deutlich besser
                gelingen, voneinander zu wissen wie wir agieren. Da müssen
                wir uns stärker auf das Galopprennen der Koalitionsfraktionen
                einstellen, um uns gegenseitig nicht auf der Strecke zu lassen.
                Mehrheitlich werden wir diesen Prozess, der noch lange nicht
                zu Ende ist nur im Konkreten meistern, wenn die Grundsätze
                klar sind. Ich bitte deshalb namens der Arbeitsgruppe um Zustimmung
              für den vorliegenden Antrag. 
             |