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               1. 
                Tagung des 9. Landesparteitages der PDS Sachsen-Anhalt  
                am 18. und 19. Juni 2005 in Wittenberg 
                 
              Rede 
                von Wulf Gallert 
                
                
                
              Sachsen-Anhalt 
                am Scheideweg 
                
                
              I. Die aktuelle 
                Situation 
                
              Die bundespolitischen 
                Ereignisse beherrschen zur Zeit in nachvollziehbarer Weise die 
                politische Diskussion auch auf der Landesebene. Trotzdem ist und 
                bleibt es unserer Aufgabe, 9 Monate vor den nächsten Landtagswahlen 
                die soziale und ökonomische Situation des Landes zu analysieren 
                und unserer Strategien für die Entwicklung Sachsen-Anhalts 
                in den Ring der politischen Auseinandersetzung zu werfen. 
                
              Wie stark 
                die Koalition von CDU und FDP eine solche Auseinandersetzung fürchten, 
                machte der Vorschlag der FDP-Landesvorsitzenden C. Pieper deutlich, 
                die LT-Wahlen in Sachsen-Anhalt gleich auf den Bundestagswahl-Termin 
                im September dieses Jahres vorzuziehen, um sich hinter dem Bundestrend 
                zu verstecken. Natürlich kann man dies bei Umfrageergebnissen 
                von ca. 5 % auf Landesebene verstehen. Allein dieser Vorschlag 
                macht deutlich, dass man offensichtlich selbst nicht an die eigene 
                Erfolgspropaganda glaubt, nachdem sich Sachsen-Anhalt seit der 
                Regierungsübernahme von CDU/FDP von einem irdischen Jammertal 
                zum Land, in dem Wirtschaftskraft und Investitionen fließen, 
                entwickelt hatte.  
                
              Vor diesem 
                Hintergrund wäre es ein Leichtes, dieser Koalition die sozialen 
                Verwerfungen und ökonomischen Misserfolge - in Sachsen-Anhalt 
                seit 2002 - vorzuwerfen, um dann aus der Oppositionssicht blühende 
                Landschaften zu versprechen. 
                
              Eine solche 
                Kampagne könnte sehr erfolgreich sein, - 2002 fand sie unter 
                dem Motto Höppner geht  die Arbeit kommt 
                oder Rote Laterne abwählen - statt und sie hat 
                zum Erfolg für CDU/FDP geführt. 
                
              Liebe GenossInnen, 
                ich appelliere jedoch an uns als Landespartei, einen solchen Weg 
                nicht zu gehen. Wir würden damit diejenigen ignorieren, die 
                trotz widriger Rahmenbedingungen sich in Wirtschaft und Gesellschaft 
                behaupten konnten, wir würden diejenigen zusätzlich 
                entmutigen, die in dieser Gesellschaft massenhaft durch Arbeitslosigkeit, 
                Hartz IV, einem selektiven Bildungssystem und vielem mehr an den 
                Rand der Gesellschaft gedrängt werden. 
              Deswegen, 
                und nicht aus Angst vor der Härte der Wahlkämpfe sollten 
                wir vorsichtig sein mit Einschätzungen zur Lage im Land, 
                die durch Begriffe, wie verheerend oder katastrophal, gekennzeichnet 
                sind. Deswegen sollten wir aber auch Zurückhaltung üben 
                in Versprechungen von 100 000den von Arbeitsplätzen oder 
                der massiven Erhöhung der Kommunalfinanzzuweisungen aus der 
                Landeskasse. 
                
              Geboten ist 
                vielmehr eine Analyse der realen Voraussetzungen in Sachsen-Anhalt 
                der Risiken und der Chancen. 
                
              Im Ergebnis 
                einer solchen Analyse kommen wir zu dem Schluss, dass sich Sachsen-Anhalt 
                am Scheideweg befindet. Trotz des massiven Einsatzes von öffentlichen 
                Mitteln müssen wir weiter konstatieren, dass abgesehen von 
                kurzfristigen Effekten Sachsen-Anhalt sich sozial-ökonomisch 
                und kulturell in Stagnation - zum Teil in Degenration - befindet. 
                
              Wichtige Parameter 
                dazu sind unter anderem die Wirtschaftsdaten - die Entwicklung 
                des BJP, der Arbeitslosigkeit, des Steueraufkommens. Alle wesentlichen 
                Rahmendaten widersprechen der These von der Annäherung des 
                Ostens an den Westen, in Sachsen-Anhalt, wie im gesamten Osten 
                Deutschlands.  
                
              Die zentrale 
                Gefahr für unser Land geht jedoch von einem anderen Phänomen 
                aus - der anhaltende und gravierende Bevölkerungsverlust 
                -. Zum einen zeigt die anhaltende geringe Geburtenrate in unserem 
                Land den weit verbreiteten Zukunftspessimismus in der Bevölkerung, 
                zum anderen macht sich hier schon schmerzhaft die Abwanderung 
                der Elterngeneration bemerkbar. Darüber hinaus hält 
                der Wanderungsverlust des Landes an. Er betrug 2004 wieder rund 
                16 000 Menschen und war damit deutlich höher als 2003.  
                
              Diese Entwicklung 
                bestimmt die zentrale Herausforderung von Politik in den nächsten 
                Jahren in Sachsen-Anhalt. Die Abwanderung betrifft vor allem die 
                Jungen, die Frauen und die höher Gebildeten. Die Gefahr besteht 
                darin, dass wir die Träger der mittel- und langfristigen 
                Entwicklung für unser Land verlieren. 
              Diese Gefahr 
                zu konstatieren, reicht jedoch nicht aus, wir müssen die 
                Ursachen für diese Entwicklung definieren und daraus Handlungsalternativen 
                ableiten. Dabei geht es vor allem um eine qualitative Analyse 
                - der Ruf nach einfach mehr Geld wird kaum zielführend sein 
                und hat auch in der Vergangenheit nicht zum Erfolg geführt. 
                 
                
              Das eigentliche 
                Problem des Osten Deutschlands, insbesondere Sachsen-Anhalts, 
                ist der Versuch, den Osten ab 1990 nach dem Vorbild des Westens 
                der 80er Jahre aufzubauen. Mit Unsummen von Steuergeldern ist 
                versucht worden, in einen gesättigten Markt zu intervenieren 
                und konventionelle Industriestruktur auf der Basis öffentlicher 
                Förderung und niedrigerer Lohnkosten zu installieren. 
                
              Gleichzeitig 
                musste sich aber die Industriegesellschaft auf den Qualitätssprung 
                zur wissensbasierten Produktion und globalisierten Rahmenbedingungen 
                einstellen. Schlagartig konkurrierten nun die Billigarbeitsplätze 
                in Ostdeutschland mit denen in Polen, in der Ukraine, in Indien 
                und Vietnam. 
              Zur Zeit erleben 
                wir die radikale Marktbereinigung in diesem Bereich und den lächerlichen 
                Versuch, über Lohndumping und Arbeitszeitverlängerung 
                konkurrenzfähig zu bleiben. 
                
              II. Unser 
                politisches Programm für Sachsen-Anhalt 
                 
              Wie kann man 
                jedoch darauf reagieren? Aus meiner Sicht dürfen wir uns 
                nicht in die Sackgasse der sicher gut gemeinten, aber ebenso erfolglosen 
                konservativen Sozialstaatspolitik hineinbegeben. 
              Spätestens 
                seit Karl Marx kennen wir die Wechselwirkung von Basis und Überbau 
                - von Produktivkraftentwicklung und politischen Systemen. Sich 
                der Globalisierung der Wirtschaftsprozesse sowie der Entwicklung 
                zur wissensbasierten Produktion zu widersetzen, wäre die 
                moderne Form der Maschinenstürmerei. Unser Ziel muss die 
                politische Gestaltung dieses Prozesses sein, unsere Politik muss 
                darauf gerichtet sein, den Grundwert der sozialen Gerechtigkeit 
                als Ziel und Basis der gesellschaftlichen Innovationsprozesse 
                zu definieren. 
              Im Zentrum 
                unserer Überlegungen steht der Mensch als Träger dieser 
                Entwicklung. Die wissensbasierte Gesellschaft kennt als entscheidenden 
                Entwicklungsmotor den innovativen Arbeitnehmer, den produktiven 
                Unternehmer, den engagierten Bürger in der Kommune, der nicht 
                durch permanente Existenzangst und einen vormundschaftlichen Kontrollstaat, 
                wie ihn viele Menschen mit ALG II zu Zeit erleben, in seiner Würde 
                bedroht oder verletzt wird. 
                
              Wenn aber 
                der Mensch mit seinem fachlichen und gesellschaftlichen Potenzial 
                den Kern der Entwicklung bestimmt, dann brauchen wir auch ein 
                substanzielles Umsteuern in der Politik, in der mit den überkommenen 
                Weisheiten gebrochen wird und die Herausforderungen der Zukunft 
                bewältigt werden können. Dazu benötigen wir auf 
                Landesebene en radikales Umsteuern - ein qualitativer Schritt, 
                den diese Landesregierung nicht gehen will und auch nicht gehen 
                kann -. 
                
              Nach der Klausurtagung 
                im September werde ich der Partei und der Öffentlichkeit 
                dazu ein komplexes Konzept zur langfristigen Entwicklung des Landes 
                vorlegen, in dem die Arbeit von Wissenschaftlern, der Fraktion 
                und von Facharbeitskreisen eingeflossen ist.  
                
              Im Folgenden 
                will ich die wichtigsten Eckpunkte unserer Handlungsstrategie 
                kurz zitieren: 
                
              1. Die PDS 
                tritt für eine völlige Neuorientierung in der Haushaltspolitik 
                der öffentlichen Hand auf der Basis der Bildungsquote als 
                Ablösung der Investitionsquote ein. Wertschöpfungsprozesse 
                werden in der Zukunft hier und nicht durch den Standort von Fabrikhallen 
                entschieden (Konzept vorgelegt ® Öffentliche Diskussion) 
                
              2. Der gleichberechtigte 
                Zugang aller zur Bildung, der vor allem durch die jetzige Landesregierung 
                im KiföG-Bereich, aber nicht nur dort (Musikschulen) beschnitten 
                wird. Die BRD entwickelt sich in bezug auf das Bildungskapital 
                zu einem mittelalterlichen Ständestaat. Während Kinder 
                aus bildungsfernen Familien kaum höhere Schulabschlüsse 
                schaffen, ist der Studienplatz für den Arztsohn faktisch 
                garantiert. Die Ursachen hierfür liegen vor allem in der 
                Phase der frühkindlichen und Grundschulbildung. In Sachsen-Anhalt 
                verschärft sich die Situation noch dadurch, dass immer mehr 
                Kinder in sozial prekären Verhältnissen (Bedarfsgemeinschaften) 
                leben, die objektiv nicht die Möglichkeit zur vollen Teilnahme 
                am gesellschaftlichen Leben haben. In Sachsen-Anhalt werden viel 
                zu wenig Kinder geboren - aber dieses Land ist nicht bereit und 
                in der Lage, diese wenigstens optimal zu fördern -. 
              Wenn Herr 
                Böhmer und Herr Paqué über die Belastung der 
                nächsten Generation durch die Haushalts-Verschuldung jammern, 
                dann sagen wir: Werte Herren, der eigentliche Skandal besteht 
                darin, dass einem großen Teil der nächsten Generation 
                der Zugang zum all entscheidenden Bildungskapital verwehrt und 
                uns damit als Gesellschaft insgesamt die Perspektive genommen 
                wird  dagegen sind die beachtlichen Gefahren, die von einer 
                Überschuldung der öffentlichen Haushalte ausgehen, eher 
                zu zweitrangig.  
              Die konzeptionelle 
                Basis für die Förderung ist der von der PDS unterstützte 
                Gesetzesentwurf zur Kinderbetreuung des Volksentscheides. In den 
                nächsten Wochen wird die Landtagsfraktion ein überarbeitetes 
                Konzept zur Bildung elementar für den frühkindlichen 
                Bereich vorstellen. 
                
              3. Reden wir 
                über die Schule. Sachsen-Anhalt hat hier einiges an Veränderungen 
                durch  verständlicher Weise ist vieles als Hüh 
                und Hott, als Hin und Her verstanden worden. Und trotzdem: Veränderungen 
                tun not. Unsere Landtagsfraktion hat im Frühjahr ein Schulkonzept 
                vorgestellt, das beides berücksichtigt. Das den Übergang 
                zu längerem gemeinsamen Lernen  einer der wichtigsten 
                Lehren aus den für uns vernichtenden PISA-Studien  
                in Sachsen-Anhalt möglich macht, ohne für die jetzt 
                lerndenden Schülerinnen und Schüler alles durcheinander 
                zu bringen. So sollen zunächst die unterschiedlichen Schultypen 
                für Abschlüsse auch von anderen Schultypen geöffnet 
                werden. In der Perspektive freilich brauchen wir auch in Sachsen-Anhalt 
                eine moderne Schule für alle, eine Sekundarschule für 
                alle. Das hängt im übrigen auch  das zeigen die 
                aktuellen Debatten und Entscheidungen in Mecklenburg-Vorpommern 
                 mit der Notwendigkeit zusammen, Kindern aus den immer dünner 
                besiedelten ländlichen Räumen Schulbildung in hoher 
                Qualität und noch erträglicher Entfernung vom Wohnort 
                anbieten zu können. Das gegliederte Schulsystem ist eben 
                einfach in jeder Hinsicht zu uneffektiv und zu teuer. Schlechte 
                Bildung zu hohen Kosten und bei hoher sozialer Ausgrenzung  
                damit muss nun wirklich Schluss gemacht werden. Für die nächste 
                Legislaturperiode werden wir einen entsprechenden Schulgesetzentwurf 
                vorlegen. 
                
              4. Eine soziale 
                und demokratische Reform ist auch für die Berufsausbildung 
                nötig und möglich. Es geht nicht allein darum, dass 
                Elend zu überwinden, dass jedes Jahre wieder Ausbildungsplätze 
                fehlen. Es geht auch darum, die Jugendlichen, die ohne Ausbildungsplatz 
                blieben, in irgendwelchen Maßnahmen zu parken, die ihnen 
                auch nicht helfen. Zwei Dinge müssen angepackt werden: 
                
              a) Jugendliche 
                mit schlechten Schulabschlüssen dürfen nicht von der 
                beruflichen Ausbildung ausgeschlossen werden  und sie brauchen 
                im Zusammenhang mit der Berufsausbildung die reale Chance, ihre 
                Voraussetzungen aufzubessern. Wir haben einfach nicht das Recht, 
                erst die kleinen Kinder vom Zugang zu Bildung auszuschließen, 
                dann die Sechs- bis Sechzehnjährigen durch ein fehlkonstruiertes 
                Schulsystem zu schleusen und am Ende die Verlierer dieses Prozesses 
                auch noch von einer hinreichenden beruflichen Qualifikation fern 
                zu halten. So kann man gesellschaftliche Verantwortung nicht buchstabieren!! 
              b) Auf der 
                anderen Seite müssen die traditionell strengen Grenzen zwischen 
                beruflicher Ausbildung und Hochschulqualifizierung aufgebrochen 
                werden. Das setzt sicher einerseits eine stärker praxisbezogene 
                Komponenten beim Hochschulstudium voraus  andererseits (und 
                das vor allem) eine besseren Anschluss der beruflichen Ausbildung 
                an Hoch- und Fachschulniveau. Eine Informations- und Wissensgesellschaft, 
                eine high-tech-basierte Wirtschaft kennt den klassischen Unterschied 
                zwischen Hufschmied und Professor eben nicht mehr  also 
                muss das endlich auch in den berufsvorbereitenden Bereichen deutlich 
                werden! 
                
              Am Ende geht 
                es nicht um gute Zensuren und interessante Seminare  sondern 
                es geht um schlaue Köpfe und um deren Lebenschancen. Nach 
                der Ausbildung muss der Job stehen! Wir wollen dazu beitragen, 
                für junge Leute die Schwellen vor der Erwerbsarbeit abzubauen. 
                Deswegen werden wir bis Dezember eine Überarbeitung unseres 
                Konzeptes Jugend in Arbeit (JinA) vorlegen.  
                
              5. Weil wir 
                es mit Innovation und Bildung wirklich ernst meinen, sagen wir 
                 im Wissen um die Haushaltslage des Landes: Die zehnprozentige 
                Kürzung im Hochschulbereich, die die jetzige Landesregierung 
                vorgenommen hat, wird rückgängig gemacht! Dieses Land 
                hat nur eine Perspektive auf der Basis von wissensbasierter Produktion 
                 also liegen hier die entscheidenden Zukunftsinvestitionen. 
                Die demografische Entwicklung ist hier nun wirklich kein geeignetes 
                Gegenargument! Liebe Genossinnen und Genossen  wenn wir 
                denn wissen, dass wir im Land zu wenig junge Leute haben, dann 
                müssen wir doch wohl erstens dafür sorgen, dass möglichst 
                viele von ihnen bleiben. Und zweitens müssen wir unser Land 
                interessant und attraktiv für den Zuzug junger Menschen aus 
                anderen Ländern machen! Ja, richtig: Wir wollen junge Menschen 
                aus anderen Teilen Deutschlands, Europas, der Welt perspektivisch 
                nach Sachsen-Anhalt locken. Sachsen-Anhalt soll langfristig ein 
                europäischer Hochschul-Standort werden. Dazu gehört 
                auch der Verzicht auf Studiengebühren und die damit verbundene 
                soziale Auslesen  wir wollen die Kreativität von jungen 
                Menschen aus allen sozialen Schichten. Dafür scheuen wir 
                uns nicht, auch eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes zu 
                fordern. 
                
              6. Auch die 
                Wirtschaftsförderung muss strikt darauf ausgerichtet werden, 
                ein innovatives nachhaltiges Potenzial zu stabilisieren, zu entwickeln 
                und aufzubauen. Das wird Einschnitte mit sich bringen  aber 
                die Mittel sind nicht unendlich; Milch und Honig im Überfluss 
                hat niemand zu verteilen. Eine raffiniert ausgetüftelte breite 
                Förderung nach Branchen und Regionen werden wir uns nicht 
                länger leisten können  zumal der Ertrag dieses 
                Ansatzes bisher auch kritisch hinterfragt werden darf. Wie wir 
                uns eine solche moderne Wirtschaftsförderung vorstellen, 
                werden wir bald im Detail deutlich machen. Im Oktober stellen 
                wir unser Konzept Wissenschaf(f)t Arbeit vor  
                und werden damit auch zeigen, wie die Potenziale von Hochschulen 
                und Wirtschaft im Lande sinnvoll verknüpft werden können. 
                
              7. Innovation 
                statt Billiglohn  dies muss die Alternative für die 
                wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Osten sein. Darüber 
                gibt es über die Grenzen der PDS hinaus, z. B. mit den Gewerkschaften, 
                aber auch mit SozialdemokratInnen, Konsens. Billiglohn setzt eine 
                Spirale sozialer Depression in Gang  wir erleben das schon: 
                das soziale und kulturelle Lebensniveau der Menschen sinkt, die 
                Binnennachfrage geht zurück, technischer Fortschritt wird 
                erschwert, ein innovationsfeindliches Klima entsteht. Dieser Entwicklung 
                muss man auf zwei Ebenen begegnen: 
                
              a) Einführung 
                eines gesetzlichen, bedarfsorientierten Mindestlohns. 
              b) Einfache 
                Arbeit zu menschenwürdigen Bedingungen. Schluss damit, dass 
                der Globalisierungsdruck vor allem bei den gering Qualifizierten 
                abgeladen wird  oder bei denen, die in solche Jobs abgedrängt 
                wurden, die nur eine geringe Qualifikation erfordern. Nein, liebe 
                Genossinnen und Genossen  diese Arbeit, die es trotz Übergang 
                zur Wissensgesellschaft noch in beträchtlichen Größenordnungen 
                gibt und geben wird, soll für die Betroffenen wie für 
                die Unternehmen lohnender werden. Das ist die Antwort! Also: Statt 
                Nettolohnreduzierung, wie sie von den anderen Parteien betrieben 
                werden, jetzt eine Bruttolohnentlastung. Die Solidarität 
                der Gesellschaft soll sich in einer (vollständigen oder teilweisen) 
                Freistellung der Arbeitsverhältnisse der unteren Tarifgruppen 
                von Sozialabgaben und Steuern für Arbeitnehmer und Arbeitgeber 
                ausdrücken  dies unter der Voraussetzung, dass an Tarifstrukturen 
                überhaupt festgehalten wird und das zusätzliche Beschäftigung 
                entsteht. [Magdeburger Alternative]  Wir werden unsere Vorstellungen 
                dazu bis Jahresende in den neu gefassten arbeitsmarktpolitischen 
                Leitlinien darlegen. 
                
                
              8. In diesen 
                Leitlinien wird es auch noch um etwas anderes gehen  nämlich 
                um die Frage nach neuen Arbeitsplätzen, nach neuer Arbeit. 
                Liebe Genossinnen und Genossen, allein mit Hartz IV sind Milliarden 
                aufgewandt worden, die letzten Endes nur dazu dienen, den Ausschluss 
                von Menschen aus der Erwerbsarbeit zu finanzieren  bei gelegentlichen 
                Gastrollen am Rande der Arbeitswelt als Ein-Euro-Jobber  
                alles in allem also auf elendem Niveau. Anders herum wird ein 
                Schuh daraus! Wir wollen diese Milliarden nutzen und damit richtige, 
                reguläre, SV-pflichtige Beschäftigungsverhältnisse 
                einrichten. Der erste Schritt soll sein, Langzeitarbeitslosen 
                zunächst all das, was sie an Zahlungen erhalten  Mehraufwandsentschädigung 
                aus dem Ein-Euro-Job, ALG, Wohngeld  und dazu einen Aufstockungsbetrag 
                etwas aus der wieder einzuführenden Vermögenssteuer 
                nicht als Almosen, sondern als Nettolohn auszuzahlen. Sie arbeiten 
                anständig, also muss man sie auch wie anständige Arbeitnehmer 
                behandeln. Wo aber könnten sie arbeiten? Dort, wo Dienstleistungen 
                für einzelen und für das Gemeinwesen aus der Sicht der 
                Privatwirtschaft nicht profitabel erscheinen. Dort, bei solchen 
                neuen Tätigkeiten, wollen wir über einen längeren 
                Zeitraum erproben, ob Projekte sich nach einiger Zeit selbst tragen, 
                ob dauerhafte öffentliche Finanzierung stattfinden soll oder 
                ob eine zahlungswillige Nachfrage eine Teilerwirtschaftung der 
                Kosten im Rahmen öffentlich geförderter Beschäftigung 
                ermöglicht.  Auch zu solchen Fragen werden wir uns 
                mit unseren arbeitsmarktpolitischen Leitlinien bis Jahresende 
                äußern. 
                
              9. Was ist 
                mit denen, die aus dem Erwerbs- und Wirtschaftsleben heraus gedrängt 
                wurden? Die aus anderen sozialen, gesundheitlichen oder altersbedingten 
                Gründen nicht mit eigener Hände Arbeit für ihren 
                Lebensunterhalt sorgen können? Die sich in Jobrotation befinden? 
                Sie brauchen  jenseits der bestehenden und zu verteidigenden 
                sozialen Sicherungssysteme  eine bedarfsorientierte soziale 
                Grundsicherung. Das ist eine Frage der Würde des Menschen, 
                eine Frage des anständigen Umgangs miteinander in einer Gesellschaft 
                im Umbruch. Es ist auch eine Frage der Voraussetzungen für 
                die aktive Teilnahme an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen. 
                Rot-Grün im Bund hat einige Schritte in Richtung einer sozialen 
                Grundsicherung unternommen  allerdings im Gewand von Hartz 
                IV und alles in allem nicht armutsfest. Diese Grenzen wollen wir 
                nicht akzeptieren. Im Dezember 2005 stellen wir unser sozialpolitisches 
                Konzept vor. 
                
              10. Es geht 
                immer wieder darum, Solidarität, mitmenschliche Verantwortung 
                und Eigenverantwortung in der Balance zu halten  und deswegen 
                neu zu organisieren. Vor diesem Hintergrund plädieren wir 
                für Bürgerkommune und Bürgergesellschaft in Verbindung 
                mit einem aktiven Staat. Dabei setzen wir einen klaren Akzent: 
                Wir wollen die weiter gehende Demokratisierung der Gesellschaft 
                 und wir sehen darin nicht allein die Ausweitung der Partizipation, 
                sondern dazu gehören eben auch unverzichtbar deren soziale 
                und materielle Voraussetzungen. Deswegen ist für uns eben 
                die Bürgerkommune nicht der Notbehelf nach dem Abbau des 
                Sozialstaats. Aus dem Antrag an den Parteitag wird das deutlich. 
                Es wird deutlich, dass wir damit jenseits der Vorstellungen vom 
                fürsorglichen Staat mit radikalen Hierarchien stehen. Es 
                wird deutlich, dass wir für die Verteidigung bürgerlicher 
                Freiheitsrechte stehen  beim Akteneinsichtsrecht, beim Datenschutz, 
                bei Menschenrechtsverletzungen durch den Staat. 
                
              11. Wir stehen 
                auch für eine moderne und leistungsfähige Verwaltungsstruktur. 
                Dazu liegt diesem Parteitag ein viel diskutierter Antrag vor. 
                Was wollen wir damit erreichen? Einen optimalen Einsatz öffentlicher 
                Mittel mit möglichst hohem Ertrag für die Bürgerinnen 
                und Bürger. Wir wollen die Dezentralisation der Kompetenzen 
                 wir wollen nicht eine überteuerte Verwaltung, nicht 
                die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Dafür 
                muss man aber die geeigneten Strukturen schaffen. Strukturen, 
                die auch Perspektive haben  und nicht schon wieder ein wenigen 
                Jahren zur Disposition stehen könnten. Daher unser Engagement 
                für starke Regionalkreise: stark gegenüber der Landesregierung 
                 stark für die Bürgerinnen und Bürger  
                stark auch in einem zusammen wachsenden Mitteldeutschland. 
                
              12. Rechtsextremismus 
                ist auf all die beschriebenen Herausforderungen keinerlei wirkliche 
                Antwort  er bietet vor allem den dumpfen, autoritären, 
                gewaltbereiten Reflex auf tiefgreifende Wandlungen und tatsächliche 
                Zumutungen. Deswegen hängt für die soziale Demokratie 
                sehr viel davon ab, wie diese Wandlungen politisch und gesellschaftlich 
                bewältigt werden. Sozial verantwortungsbewusste Politik, 
                sozial verantwortungsbewusste Unternehmen  und eine starke 
                Zivilgesellschaft: dies alles gehört zusammen, wenn der Rechtsextremismus 
                in die Schranken gewiesen werden soll. Und unverzichtbar ist eben 
                auch eine offensive Auseinandersetzung mit nationalsozialistischen 
                und ausländerfeindlichen Tendenzen, Handlungen, Thesen. Demokratische 
                Linke spielen nicht mit rechtspopulistischen Argumentationsmustern 
                und Begriffen, sie appellieren nicht an die niederen Instinkte. 
                Wir werden unser Konzept für die Auseinandersetzung mit dem 
                Rechtsextremismus nach der Klausur der Landtagsfraktion im Frühherbst 
                2005 vorlegen. 
                
              13. Schließlich 
                ein Wort zum demografischen Wandel. Er ist eine Realität. 
                Eine schöne, so weit er das längere, sinnerfüllte 
                Leben der alten Menschen beinhaltet  ein Gedanke, der viel 
                zu oft untergeht. Er ist aber auch eine schwierige Realität 
                 die Realität der nicht geborenen Kinder, der Abwanderung. 
                Potenziert durch die Misere am Arbeitsmarkt. Es ist politisch 
                unverantwortlich, sich dieser Probleme zu verweigern. Kein Kabinett, 
                kein Parlament, nicht einmal ein PDS-Parteitag können die 
                Kindern ins wirkliche Leben hinein beschließen, die seit 
                Anfang der 90er Jahre nicht geboren wurden. Die Schrumpfungsprozesse 
                sind eine objektive Realität  und wenn wir die Augen 
                vor ihnen verschließen, werden wir zulassen und befördern, 
                dass daraus Degenerationsprozesse werden. Es geht also darum, 
                die Probleme des demografischen Wandels politisch zu gestalten 
                 nicht darum, sie zu ignorieren. Deswegen ist es gut, dass 
                an unserem Konzept zum ländlichen Raum weiter gearbeitet 
                wurde.  
              Aber natürlich 
                geht es nicht nur darum, mit den Schrumpfungsprozessen umzugehen 
                 sondern, darum, etwas dagegen zu tun. Das heißt: 
                Etwas dafür zu tun, dass wieder mehr Kinder in unserem Land 
                geboren werden. Deswegen ist es gut, dass auch unser familienpolitisches 
                Konzept erneuert wurde. 
                
                
              III. Schlussfolgerungen 
                 
              Liebe Genossinnen 
                und Genossen  
                
              wir haben 
                in den letzten Jahren viel, hart und gut gearbeitet  unter 
                nicht immer leichten Bedingungen. Wir haben im politischen Tagesgeschäft 
                unseren Mann, unsere Frau gestanden  und wir haben intensiv 
                an unseren Vorstellungen für die Zukunft unseres Landes gearbeitet. 
                Wir haben eine Menge erreicht. Wir haben etwas zu bieten. Und: 
                Wir sind wir! 
              Wir sind wir 
                 und wir werden mit unseren politischen Vorstellungen, mit 
                eigenständigen Konzepten in den Wahlkampf gehen. Und wir 
                werden diesen Wahlkampf als eine inhaltlich fundierte Auseinandersetzung 
                um die Zukunft unseres Landes führen. Wir lamentieren nicht 
                über die handwerklichen Nöte der Politik. Wir tun nicht 
                wichtig mit parteipolitischem Hickhack und sinnlosen Koalitionsspielen 
                 sinnlos deswegen, weil es nicht um Parteien, sondern um 
                das Land geht. Um Innovation und soziale Gestaltung Sachsen-Anhalts, 
                um seine Zukunft in sozialer Gerechtigkeit. Dafür stehen 
                wir. Dafür wollen, dafür werden wir selbstbewusst um 
                die politische Führungsrolle in diesem Land kämpfen. 
                Nicht mehr, aber auch nicht weniger muss unser Ziel sein!! 
                
               Wittenberg, 
                19. Juni 2005 
              - Es gilt 
                das gesprochene Wort! -  
                
               
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