VertreterInnenversammlung
zur Wahl der BewerberInnen für die Landesliste der PDS Sachsen-Anhalt
für die Wahl zum 16. Deutschen Bundestag
am 10. Juli 2005 in Wittenberg
Rede
als RTF
/ PDF
Matthias Höhn,
PDS-Landesvorsitzender Sachsen-Anhalt,
es gilt
das gesprochene Wort
am Abend des
22. Mai diesen Jahres erklärte der Bundeskanzler, er wolle
die kommende Bundestagswahl zur Volksabstimmung über seine
Politik machen. Diese Herausforderung nehmen wir mit Freude an.
Selten zuvor
hat eine Regierung die in sie gesetzten Erwartungen derart enttäuscht
wie Rot-Grün. Mit großen Ankündigungen startete
diese Koaliton 1998 nach der Abwahl der Regierung Kohl. Am Ende
ist davon nichts geblieben, außer einer zertrümmerten
Sozialdemokratie und einer sogenannten grünen Partei, die
ihre Hauptaufgabe offensichtlich darin sieht, eine zweite FDP
zu werden.
Und ich will
eines deutlich sagen: Wohl kann uns dabei nicht unbedingt sein.
Die politischen Kräfteverhältnisse in der Bundesrepublik
Deutschland sind massiv ins Rutschen geraten. Es ist ungewiss,
was am Ende dabei herauskommt. Und die Gefahr, dass antidemokratische,
nationalistische oder rechtspopulistische Akteure diese Situation
für sich und ihre Ziele erfolgreich ausnutzen, ist nicht
gebannt.
Es ist nicht
zuletzt unsere Aufgabe, klare Kante zu zeigen. Es muss Schluss
sein damit, Politik auf Kosten der Schwächsten in der Gesellschaft
zu machen.
Eines der
größten Probleme der heutigen Zeit ist ein massiver
Vertrauensverlust von Politik insgesamt. Glaubwürdigkeit
und Authentizität sind gefragt. Dies muss auch unser Maßstab
sein.
Es ist doch
ein Treppenwitz der Geschichte, dass der Kanzler am 1. Juli seine
Vertrauensfrage mit der Unzuverlässigkeit des linken Flügels
der SPD begründet und eine Woche später all die Punkte
ins Wahlprogramm der SPD schreiben lässt, die die so geschmähten
immer eingefordert haben. Nichts davon kann man Müntefering
und Schröder glauben. Und das ist das große Problem.
Wo Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit gefragt sind,
antworten die großen Parteien mit Taktiererei und Täuschungsmanövern.
Um so wichtiger
ist es, dass die PDS, dass die Linke in diesem Wahlkampf mit einer
klaren und nachvollziehbaren politischen Alternative aufwartet.
Und wir sind
nicht nur die politische Alternative zu Rot-Grün, wir sind
mindestens ebenso die poltische Alternative zu Schwarz-Gelb. Frau
Merkel will die Agenda 2010 nicht grundsätzlich korrigieren,
sie will sie ledglich konsequenter und schneller umsetzen.
Aber dieses
Land braucht einen Richtungswechsel und nicht nur höheres
Tempo in die vorgezeichnete falsche Richtung.
Anrede,
drei Jahre
Bundestag ohne Fraktion der PDS sind genug. Ich will es an zwei
Punkten nochmals deutlich machen:
- Wo war denn
die Politik für Ostdeutschland in diesem Bundestag? Was ist
aus der Chefsache Ost geworden? Es gab keine Fraktion in diesem
Bundestag, die auch nur ein einziges Mal diese Fragen gestellt
hat.
- Und wo war
denn eine aktive deutsche Friedenspolitik? Ja, Schröder hat
den Irak-Krieg abgelehnt, aber das macht ihn nicht zum Friedensengel.
Zur gleichen Zeit hat sich der Bundestag selbst entmachtet und
lässt die Bundesregierung allein über Militäreinsätze
entscheiden. Es gibt keine einzige Fraktion, die sich daran stört.
Lediglich
zwei einzelne Abgeordnete haben in den letzten drei Jahren an
diesen Stellen und an vielen anderen für eine alternative
Politik geworben Petra Pau und Gesine Lötzsch.
Und auch wenn
beide heute nicht hier sind, will ich sehr deutlich sagen: Vielen
Dank, Petra und Gesine. Ich glaube, keine andere Persönlichkeit
hat seit 2002 so glaubwürdig und authentisch auf Bundesebene
für eine linke Alternative gestritten, wie diese beiden.
Ich wünsche
mir beide auch im nächsten Bundestag. Sie sind unverzichtbar
für eine starke linke Fraktion. Es ist in den vergangenen
Wochen viel über die Marke PDS und ihre Bedeutung geredet
worden. Petra und Gesine sind PDS pur und ich habe keinen
Zweifel daran, dass beide genau aus diesem Grund ihr Dirketmandat
verteidigen werden.
Liebe Petra,
liebe Gesine, auch aus Sachsen-Anhalt alles Gute für euch
beide!
Anrede,
auch wenn
Umfragen neun Wochen vor einer Wahl nicht das endgültige
Wahlergebnis widerspiegeln. Eines wird deutlich. Wir sehen uns
als PDS einer enormen Erwartungshaltung gegenüber. Ich weiß
nicht, ob wir es politisch überleben würden, wenn wir
diese Erwartungen enttäuschen würden.
Selten standen
wir so in der Öffentlichkeit wie heute. Selten ist über
PDS so viel geschrieben und gesprochen worden. Es liegt an uns,
daraus etwas zu machen. Wir müssen uns dieser Chance bewusst
sein, aber auch des Risikos. Jeder Fehler wird sich bitter rächen.
Aber wir haben auch die einmalige Gelegenheit, in einer so großen
Öffentlichkeit für unsere Politik zu werben.
Darum heute
von mir zu einem Thema auch nur eine Bemerkung: Die PDS wird in
einer Woche ihren Namen erweitern. Der Landesverband Sachsen-Anhalt
ist bereit, diesen Schritt zu gehen. Es gibt nur eine wichtige
Bedingung:
Dieser Schritt
muss rechtssicher und für die Wählerinnen und Wähler
nachvollziehbar sein.
Ist er das
nicht, wird uns möglicherweise die Chance verwehrt, für
unsere politischen Inhalte um Zustimmung zu werben.
Und wir haben
eine Menge, um das es sich zu werben lohnt. Ich will einige Stichworte
kurz benennen:
1. Arbeit.
Wir wollen die Mittel, die wir im Moment für Arbeitslosigkeit
ausgeben, bündeln und den Betroffenen versicherungspflichtige
Arbeitsplätze anbieten. Arbeit statt Almosen ist unsere Alternative.
2. Soziale
Sicherheit
Wir wollen,
dass alle in dieser Gesellschaft sich nach ihren Kräften
an der Solidargemeinschaft beteiligen. Wer über Veränderungen
in der Arbeits- und Einkommensstruktur redet, muss auch die Konsequenzen
daraus ziehen und alle Einkommensarten berücksichtigen. Bürgerversicherung
statt Kopfpauschale ist unsere Alternative.
3. Bildung
Wir wollen
ernst machen mit der Wissensgesellschaft. Lebensperspektiven hängen
an Bildungsperspektiven. Intergration statt Ausgrenzung ist unsere
Alternative.
4. Ostdeutschland
Es geht uns
nicht um Nostalgie, es geht um Chancengleichheit. Wir haben uns
in den letzten 15 Jahren als PDS weithin beachtete Kompetenz in
diesem Gebiet erworben. Diese Kompetenz aus dem Osten gilt es
einzubringen in eine gesamtdeutsche Debatte. Erfahrungen nutzen,
statt mit Ignoranz strafen ist unsere Alternative.
5. Steuerpolitik
Wir wollen
Schluss damit machen, dass der Staat sich immer weiter freiwillig
arm und ärmer macht und im Nachgang die Einschnitte ins Sozial-
und Bildungssystem mit den leeren Kassen begründet. Ja, wir
wollen das Steueraufkommen erhöhen, aber durch Belastung
derer, die es verkraften, und Entlastung jener, die darauf angewiesen
sind. Gerechtigkeit herstellen, statt Geschenke verteilen ist
unsere Alternative.
Anrede,
wir wollen
und werden in diesem Bundestagswahlkampf sagen, was wir ablehnen.
Aber wir wollen und werden ebenso deutlich sagen, wofür wir
stehen.
Wir wollen
dieses Land verändern. Wir wollen aber nicht zurück
zu etwas, was längst nicht mehr da ist. Wir wollen nach vorn
mit neuen Ideen, die an den heutigen Verhältnissen
ansetzen um sie zu verändern. Wir geben uns nicht zufrieden
mit der allgemeinen Floskel der Alternativlosigkeit. Politik ist
niemals alternativlos. Es wird Zeit, dies endlich wieder laut
und deutlich auszusprechen.
Wir haben
uns als PDS zu einem strategischen Dreieck bekannt. Zwei Ecken
dieses Dreiecks fallen uns leichter als das dritte. Widerstand
und Protest gegen die Verhältnisse einerseits und die Vision
einer gerechteren Gesellschaft andererseits das sind Dinge,
die uns leicht fallen und die uns auch jeder glaubt.
Aber ohne
die dritte Spitze wird aus dem Dreieck eine ziemlich flache Angelegenheit.
Die Erfahrungen
der letzten 15 Jahre zeigen uns: Wir waren und sind als PDS dort
dauerhaft präsent und erfolgreich, wo wir eingreifen und
verändern wo wir Politik gestalten.
Die Erfahrungen
aus acht Jahren Tolerierung, die Erfahrungen der Genossinnen und
Genossen in Regierungsverantwortung waren manches Mal schmerzhaft,
aber sie waren notwendig und wichtig.
Wir sind waren
und sind verlässlicher Partner für viele, innerhalb
und vor allem außerhalb der Parlamente. Wir haben etwas
bewegen können. Es ist uns gelungen, Alternativen in praktische
Politik umzusetzen. In Sachsen-Anhalt streiten wir noch für
eine Schule für alle Kinder. In Mecklenburg-Vorpommern
wird es eine solche Schule geben. Dies wäre ohne PDS undenkbar.
Anrede,
um Alternativen
zu formulieren und Gestaltung erlebbar zu machen bedarf es Persönlichkeiten.
Persönlichkeiten, die glaubhaft und kompetent unsere Inhalte
vertreten und unsere Politik umsetzen können.
Der Landesvorstand
hat sich seiner Verantwortung gestellt und darüber beraten,
mit welchen Persönlichkeiten wir glauben, diesem Anspruch
auf einer Landesliste der PDS gerecht zu werden.
Ich möchte
euch heute namens des Landesvorstandes vorschlagen, mit Petra
Sitte als Spitzenkandidatin in den vor uns liegenden Bundestagswahlkampf
zu ziehen.
Petra Sitte
gehört zu den profiliertesten und kompetentesten Persönlichkeiten,
die die PDS nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern auch darüber
hinaus, in ihren Reihen hat. Ihr überwältigendes Wahlergebnis
bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr ist ein klarer Beleg
dafür. Petra ist mit den meisten Stimmen aller Kandidatinnen
und Kandidaten in den Stadtrat von Halle gewählt worden.
Und sie hat
lange Jahre als Vorsitzende unsere Landtagsfraktion durch so manch
schwierige Situation geführt. Nicht zuletzt deswegen ist
die PDS 2002 bei den Landtagswahlen mit ihr als Spitzenkandidatin
zweitstärkste politische Kraft in Sachsen-Anhalt geworden.
Liebe Petra,
ich danke dir schon jetzt für deine Bereitschaft, die Liste
der PDS in diesem Bundestagswahlkampf anzuführen.
Anrede,
darüber
hinaus befürwortet der Landesvorstand die Kandidaturen von
Katrin Kunert, Roland Claus und Jan Korte auf den vorderen Listenplätzen.
Wir haben
dieses Tableau sehr eingehend beraten. Wir haben uns als Vorstand
dazu auch mit den Kreisvorsitzenden verständigt.
Es stellt
in seiner Nennung keine Reihenfolge dar und ist auch kein Vorschlag
für einen konkreten Listenplatz. Aber wir sind davon überzeugt,
dass wir damit als PDS in Sachsen-Anhalt glaubwürdig deutlich
machen können:
Es gilt, einen
neuen Aufbruch zu wagen. Es gilt, auf große Erfahrung aufzubauen.
Und es gilt gleichzeitg, mit einer Liste vor allem auch personell
der Jugend und damit der Zukunft eine Chance zu geben.
Ich werbe
bei euch sehr nachdrücklich für diese vier Kandidatinnen
und Kandidaten.
Viele andere
werden sich heute ebenso um die Plätze auf der Landesliste
bewerben. Und es ist gut, dass die Vertreterinnen und Vertreter
auch die Möglichkeit haben, wirklich auszuwählen. Alle
verdienen eine faire Chance!
Ich will an
dieser Stelle bereits allen herzlich danken, die bereit sind,
auf der offenen Liste der PDS Sachsen-Anhalt zu kandidieren. Jede
und jeder von euch wird in diesem Wahlkampf gebraucht.
Anrede,
wir wagen
als PDS in diesen Tagen einen großen Schritt nicht
nur in der Namensfrage. Diese ist ja lediglich das äußere
Zeichen für einen viel tiefgreifenderen Veränderungsprozess.
Nach mehrwöchigen
Verhandlungen sind die Bundesvorstände von PDS und WASG übereingekommen,
bei den bevorstehenden Bundestagswahlen nicht getrennt oder konkurrierend
anzutreten. Darum wird nur die PDS in den Wahlkampf ziehen und
im Gegenzug ihre Listen für Mitglieder der WASG öffnen.
Gleichzeitig
haben sich beide Parteien auf gemeinsame inhaltliche Schwerpunkte
verständigt, die sich wiederfinden werden im noch zu beschließenden
Wahlprogramm der PDS.
Ich weiß,
dass dieser Prozess eurerseits mit vielen Fragen verbunden ist.
Aber ähnliche Fragen gibt es auch auf Seiten der WASG. Darum
ist es auch an der Zeit, Vertrauen aufzubauen, statt Misstrauen
zu pflegen.
Die Bürgerinnen
und Bürger zeigen sich zu einem beachtlichen Teil einem solchen
gemeinsamen Agieren gegenüber sehr aufgeschlossen. Sie knüpfen
große Erwartungen an uns und die WASG.
Die Landesspitzen
von PDS und WASG haben sich am vergangenen Donnerstag zu einem
Gespräch getroffen. Der Landesvorstand hatte zuvor die direkt
gewählten Vorstandsmitglieder einstimmig mit einem entsprechenden
Mandat ausgestattet. Dieses Gespräch fand in einer sehr offenen
und konstruktiven Atmosphäre statt.
Natürlich
sind in dieser Runde auch kritische Punkte zur Sprache gekommen.
Das gehört dazu. Aber eines will ich deutlich sagen:
Ich lehne
es entschieden ab, mir pauschale und unsachliche Kritik zu eigen
zu machen, wie sie von einzelnen PDS-Mitgliedern, in einem Fall
über die Medien, vorgebracht worden ist. Im übrigen
empfinde ich es auch als persönliche Zumutung, mir unterstellen
lassen zu müssen, ich würde als Landesvorsitzender Gespräche
mit einer linksnationalistischen Partei führen.
So werden
wir den Wahlkampf nicht erfolgreich führen können!
Anrede,
ein Teil der
zwischen den Bundesvorständen geschlossenen Vereinbarung
besagt, dass die Bundesspitze der WASG über unseren Parteivorstand
an die Landesverbände mit konkreten Kandidaturvorschlägen
für die offenen Listen der PDS herantritt. Einen solchen
Vorschlag gibt es für mehrere Landesverbände, für
Sachsen-Anhalt nicht.
Dennoch bitte
ich euch, den Kandidatinnen und Kandidaten der WASG, die sich
heute vorstellen werden, eine faire Chance einzuräumen und
sie angemessen auf der Gesamtliste zu berücksichtigen.
Anrede,
vor uns liegt
ein harter Wahlkampf. Es wird uns nichts geschenkt werden. Wir
werden mit massiven Angriffen zu rechnen haben.
Unterschätzt
die Argumente der anderen Parteien und deren Zugkraft nicht. Aber
lasst es auch nicht an Selbstbewusstsein und Courage unsererseits
mangeln.
Wir gehen
als PDS in diesen Wahlkampf mit einem klaren inhaltlichen Profil
und dem Ziel, jede Anstrengung zu unternehmen, dem nächsten
Deutschen Bundestag zu einer starken linken Fraktion zu verhelfen.
Er hat sie bitter nötig. Dieses Land hat sie bitter nötig.
Unsere einzigen
Verbündeten sind die Wählerinnen und Wähler. Bei
ihnen um Vertrauen zu werben, ist das, was wir zu leisten haben,
nicht mehr und nicht weniger.
Ich weiß,
dass uns das gelingen wird!
Vielen Dank.
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