Jetzt muss
man auch über Schulformen reden
Zu den bislang
bekannt gewordenen Ergebnissen der jüngsten PISA-Studie erklärt
die bildungspol. Sprecherin der Fraktion Dr. Rosemarie Hein:
"Mit
den ersten Verlautbarungen über die neue PISA-Länderstudie
ist es offensichtlich: Konnten Bildungs- und Schulpolitiker bisher
noch herausreden, dass die Ergebnisse der PISA-Untersuchungen
keinen Anlass zu einem Überdenken des deutschen Bildungssystems
gäben, so kann nun niemand, der ernst genommen werden will,
sich davor drücken.
Das System
der selektiven Förderung in unterschiedlichen Schulformen
und auf unterschiedliche Abschlüsse hin hat ausgedient. Es
gewährleistet eben keine angemessenen Bildungschancen für
Kinder und Jugendliche aus sozial schlechter gestellten Verhältnissen
und keinen ausreichenden Nachteilsausgleich. In der Folge haben
auch in Sachsen-Anhalt Kinder aus ärmeren Schichten um ein
Vielfaches schlechtere Chancen, den höchsten allgemeinbildenden
Schulabschluss zu erreichen als ihre Altersgefährten aus
gutbetuchten Elternhäusern. Das alles unabhängig von
der individuellen Lern- und Leistungsfähigkeit.
Schlimm genug,
dass Sachsen-Anhalt in diesem zweifelhaften Wettlauf gleich nach
Bayern auf dem zweitschlechtesten Platz liegt. Mancher hat es
ja geflissentlich übersehen: Der Leistungszuwachs, der im
Sommer konstatiert werden konnte und den die Landesregierung gern
für sich vereinnahmt hat, erwuchs ohnehin aus dem Zuwachs
bei Schülerinnen und Schülern aus Gymnasien, während
die potenziellen Hauptschulabsolventen keine Verbesserung zu verzeichnen
hatten. Schon das hätte aufhorchen lassen müssen. Nun
bleibt diesen Vorschusslorbeeren nur ein fader Nachgeschmack.
Nun ist offensichtlich, dass Sachsen-Anhalt in Sachen Chancengerechtigkeit
seit Jahren auf der ganzen Linie versagt.
Wer jetzt
noch darauf baut, dass man nur den Hauptschulabschluss attraktiver
machen müsse, hat von der ganzen Misere gar nichts begriffen.
Jetzt endlich muss man über das ganze System der Förderung
reden und die Angemessenheit von Schulformen kritisch auf den
Prüfstand stellen. Im Bereich der frühkindlichen Bildung
und der Grundschule wird endlich begonnen, ein anderes System
der Förderung zu entwickeln und umzusetzen, aber das wird
bei Weitem nicht ausreichen.
Ziel kann
nicht sein, mehr jungen Leuten den Hauptschulabschluss zu ermöglichen,
wie es die Bayern mit Stolz für sich verbuchen, sondern eine
solche Förderung zu installieren, die es deutlich mehr Schülerinnen
und Schülern erlaubt, wenigstens einen soliden Abschluss
der zehnten Klasse und nach Möglichkeit ein Abitur zu erreichen.
Natürlich muss diese notwendige Schulformdebatte endlich
auch mit einer Debatte vor allem über geeigneten Maßnahmen
zur Veränderung der Lehr- und Lernkultur und ihrer personellen
Absicherung einher gehen. Die Linkspartei.PDS fordert das seit
langem. Sie hat mit den Schritten für einen Übergang
zu einer Schule für alle Kinder ein entsprechendes
Konzept vorgelegt, das nun Grundlage für ihr neues Schulgesetz
für die nächste Legislatur wird."
Magdeburg,
2. November 2005
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