Magdeburg,
23.01.2005
Volksentscheid nicht erfolgreich
- Verloren haben die Kinder !
Hintergründe und eine erste Betrachtung
Die geringe Wahlbeteiligung,
die auch zum Scheitern des Anliegens des Volksentscheides geführt hat, ist
ein ernstes Signal für Zustand und Funktionieren unserer Demokratie, für
die Wirkungen der gegenwärtigen Politik und für die Bewertung der gesellschaftlichen
Verhältnissen und der tatsächlichen Machtverteilung in den Augen der
Bürgerinnen und Bürger.
Wenn die Bürgerinnen und Bürger in so großer Zahl die Möglichkeit
ausschlagen, selbst über eine zentrale Frage von sozialer Gerechtigkeit und
von Zukunft zu entscheiden, ist das äußerst alarmierend und gibt Anlass
zu großen Sorgen bezüglich des Klimas in unserem Land:
>> Dass Kinderbetreuung ein Zukunftsthema, ein Überlebensthema des
Landes Sachsen-Anhalt ist,
.. ..war nicht zu vermitteln.
>> Sichtbar wird ein erschreckendes Ausmaß an Entsolidarisierung im
Ergebnis der Kampagne der Landesregierung.
>> Das Recht des Kindes auf bestmögliche und gleichberechtigte Förderung
(Ausgleich sozialer Benachteiligungen) ist bei vielen offenbar kein verinnerlichter
Handlungsmaßstab.
Während die Bürgerinitiative mit ihrem Engagement hier gegenzusteuern
versuchte, haben die Landesregierung und die sie tragende Koalition die negativen
Tendenzen eher verstärkt - bis hin zu dem Aufruf, der Abstimmung fernzubleiben.
Die Drohungen und Verdrehungen seitens der Koalition und großer Teile des
Establishments, ihre Entsolidarisierungs- und Neidkampagnen haben viele Bürgerinnen
und Bürger verunsichert, abgestoßen und davon abgehalten, ihre demokratischen
Rechte zu nutzen. Einschüchterung traf gezielt auf Passivität, Desinteresse
und Resignation.
> Die nur ca. 340.000-Ja-Stimmen
sind Ausdruck einer starken Verunsicherung der Leute. Die von Ministerpräsident
Böhmer angesagten Kürzungen in denselben Bereichen (Bildung, Soziales,
Kultur) haben Ängste geschürt, dass die Lebensqualität im Land
insgesamt sinkt.
> Die angekündigten höheren Elternbeiträge für die KiTa-Betreuung
haben bewirkt, dass diejenigen, die gleiche Startbedingungen für alle als
Ziel akzeptierten, schließlich doch mit Nein gestimmt haben.
Die Arbeit im Bündnis
für ein kinder- und jugendfreundliches Sachsen-Anhalt sollte
nach dem Volksentscheid nicht beendet werden.
Joachim Spaeth
Pressesprecher
Hintergründe
zum Ausgang des Volksentscheides am 23. Januar 2005
>> Das Ziel des Volksentscheids
bestand in der Rückkehr zu den Betreuungsstandards des früheren Kinderbetreuungsgesetzes
in Sachsen-Anhalt, das einen Rechtsanspruch auf ganztägliche Betreuung (10
Stunden) für alle Kinder - unabhängig von der sozialen und Beschäftigungssituation
der Eltern - festschrieb. Die mit dem KiFöG eingeführten Bildungsstandards
für die vorschulische Betreuung der Kinder sollen als sinnvolles Förderinstrument
der Kinderbetreuung in das wieder in Kraft zu setzende KiBeG übernommen werden.
>>Dieser eingeforderte Anspruch auf Ganztagsbetreuung geht konsequent aus
von den gleichen Rechten der Kinder und nicht von der familiären Situation
und den Bedingungen der Erwerbstätigkeit der Eltern.
>>Mit der Vorbereitung des Volksentscheids war eine breite gesellschaftliche
Diskussion beabsichtigt und tatsächlich verbunden, Kinderbetreuung und bestmögliche
Förderung aller Kinder im Land als entscheidende Zukunftsinvestition zu begreifen
und einen Paradigmenwechsel in der Bewertung der sozialen Leistungen in der Kinderbetreuung
weg von einer konsumtiven Zuordnung zu befördern.
Beteiligung am Volksentscheid:
>>Ein erfolgreiche
Volksentscheid brauchte die Zustimmung eines Viertels der wahlberechtigten Bevölkerung
des Landes. Das sind ca. 520.000 Ja-Stimmen. (Wahlberechtigte Bürger 2.094.281)
>>Wahlbeteiligung zur Kommunalwahl 2002: 42,2% = 910.959 WählerInnen
>>Beteiligung am Volksentscheid bei 35% wäre akzeptabel (brächte
733.000 Stimmen), könnte reichen für Erfolg, wenn man annimmt, dass
diejenigen, die zur Wahl gehen, auch einen Erfolg des Volksentscheides wünschen.
Aber: Gegner des KiBeG-Anspruches haben mobil gemacht.
>>(Kritische Grenze
bei Beteiligung von 29% = ca. 600.000 Stimmen)
Genau: 523.571 Stimmen
bei Zugrundelegung der Wahlberechtigtenzahlen zur Europawahl 2004,
Angabe des Statitischen Landesamtes
Mitnahmeeffekt aus Europawahlen. Bei Kommunalwahlen z.T. sehr viel schlechtere
Beteiligungen
(1. Wahlgang OB-Wahl Halle: 37,6%, Stichwahl: 30,4%, nachfolgende Bürgermeisterwahlen
schlechter!)
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